Mädchen einer Nachtschule

Unsere Vision

Seit 2012 unterstützt Dagmar von Tschurtschenthaler das Bildungsprogramm des Barefoot College. Dieses Programm wurde ins Leben gerufen mit dem Ziel, Kindern, insbesondere Mädchen nicht nur Bildung, sondern auch Alltagskompetenzen zu vermitteln. Unterstützt werden insbesondere Kinder im Silora Distrikt von Rajasthan in Indien. „Unsere Vision ist es, dass Kinder in Indien eine gute schulische Grundbildung erhalten, um aus ihrer Armutssituation heraustreten zu können. Wir entwickeln ihre Alltagskompetenzen, stärken ihre Selbstwirksamkeit und ermöglichen damit die Entwicklung von starken Persönlichkeiten, die sich verantwortlich den Anforderungen der Gemeinschaft stellen.“ Dagmar von Tschurtschenthaler “The ‘Barefoot approach’ may be viewed as a ‘concept’, ‘solution’, ‘revolution’, ‘design’ or an ‘inspiration’ but it is really a simple message that can easily be replicated by the poor and for the poor in neglected and underprivileged communities anywhere the world.” Bunker Roy

 

KONZEPT_Hintergrund

Bildung als Herausforderung für ganz Indien

Ein landesweites indisches Gesetz „Right to Education“ schreibt seit 2009 den Schulbesuch aller Kinder im Alter zwischen sechs und 14 Jahren vor. Dennoch gehen immer noch 50 bis 70 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule; die meisten von ihnen arbeiten.
Besonders prekär ist die Situation der Kinder in Rajasthan, Die Bevölkerung lebt vorwiegend von der Landwirtschaft; der Bundesstaat ist eines der ärmsten Gebiete Indiens.
In den abgelegenen Dörfern Rajasthans besuchen sehr wenige Kinder regulär die Schule. Viele – insbesondere die Mädchen – hüten Ziegen, passen zuhause auf die kleinen Geschwister auf oder helfen den Eltern bei der Erwerbsarbeit.
Armut ist eine Ursache, aber auch kulturelle und soziale Barrieren sowie die schlechte Qualität der öffentlichen Bildung halten viele Eltern davon ab, ihre Mädchen zur Schule zu schicken.
Die Folgen sind gravierend:

  • 40% Mädchen verlassen die Schule vor Erreichen der 5.Klasse,
  • Von 100 Mädchen erreicht nur eines bis zur 12.Klasse,
  • 68% Mädchen sind vor der Volljährigkeit verheiratet.

Durch ihren Bildungsmangel ist es ihnen später unmöglich, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie sind von der Familie ihres Mannes oder seiner Geschwister abhängig. Und hier setzt das Barefoot College an: Bildung für Mädchen, damit sie selbstwirksam tätig werden können.

 

Foto Lösungsansätze zugeschnitten

Abendschulen und Brückenschul-Internat

Eine gute Schulausbildung ist für junge Menschen der erste Schritt in die Unabhängigkeit. Dies gilt vor allem für die Kinder der indigenen Bevölkerungsgruppen und Kastenlosen. Für sie bedeutet Bildung die Freiheit von Armut und Unterdrückung, aber auch die Möglichkeit sich selbst zu entfalten. Das Barefoot College hat es sich zur Aufgabe gesetzt, diesen benachteiligten Gruppen den Weg in die schulische Ausbildung und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Zusammen mit unserer indischen Partnerorganisation Barefoot College unterstützen wir die Grundbildung der Kinder und Jugendlichen. Dies geschieht in Rajasthan durch Abendunterricht für arbeitende Kinder – in Solar Brückenschulen/Abendschulen (Night Schools) – und einen einjährigen Vorbereitungskurs auf staatliche Schulen – in einem Brückenschul-Internat (Residential Bridge School).

First gereration learners

Wir achten bei der Auswahl der Kinder darauf, dass die first generation learners und Mädchen bevorzugt gefördert werden. Grundsätzlich kann jedes Kind aus dem ländlichen Raum im Alter zwischen sechs Jahren und 14 Jahren, unabhängig von Kaste, Religion, Geschlecht oder wirtschaftlichem Status beim Barefoot College in die Schule gehen, sei es in die Solar Brückenschule oder danach auf das Brückenschul-Internat. Uns ist es wichtig, daß die Kinder und Jugendlichen nicht nur lesen, schreiben und rechnen lernen, sondern dass sie auch praktische Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt bekommen, die sie dazu befähigen, ihren Alltag zu bewältigen.

Literacy und basic education

Unser Partner, das Barefoot College, differenziert zwischen Bildung im Sinne von Lese- und Schreibfähigkeit (literacy) und Bildung (education), die Kinder durch Familie, Gesellschaft, Umwelt und persönliche Erfahrungen erhalten. Anstatt „Buchwissen“, das wesentlich in den Städten gelehrt wird, zu vermitteln, sollen die Kinder des Barefoot College anhand praktischer Beispiele aus ihrer unmittelbaren Umgebung lernen. Besonders am Herzen liegt uns auch die Gesundheitsbildung der Kinder. Wir unterstützen daher das Barefoot College in seinem Ansatz zur Gesundheitserziehung, der ein wichtiger Teil des Unterrichts ist. Ein Team von Barefoot Ärzten untersucht die Kinder regelmäßig auf ihren Gesundheitszustand. Schwierige Fälle werden in das nächste Krankenhaus gebracht. Die Kinder erhalten Zugang zu sauberen Trinkwasser. Hierfür werden in den Dörfern Aufbereitungsbecken für Regenwasser installiert. Das Barefoot College fördert auch die sprachliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, die zumeist Marwari, einen Hindi-Dialekt, sprechen. Es ist uns ein besonderes Anliegen, dass die Kinder und Jugendlichen für ihren späteren Werdegang zusätzlich die indischen Verkehrssprachen – Hindi und Englisch – erlernen. Die Lehrer des Barefoot College halten den Unterricht in diesen Sprachen ab. Auch die Fähigkeit, mit dem Computer umzugehen wird den Kindern als Bestandteil der Ausbildung mit auf den Weg gegeben.

Kinder-Parlament

Die Idee eines Kinderparlaments ist ein wichtiges Element im Lehrplan der Abendschulen. Kinder, die Abendschulen besuchen, lernen politische Systeme und Strukturen kennen, weil sie den Lernprozess tatsächlich durchlaufen. Alle zwei Jahre wählen die älteren Kinder (8-14 Jahre) aller Abendschulen im Ajmer Distrikt ihre Parlamentsmitglieder für das Kinderparlament. Der Premierminister führt mit seinem Kabinett die Aufsicht über alle 150 Schulen. Bis jetzt waren alle Premierminister Mädchen. Die Parlamentsmitglieder achten unter anderem darauf, dass die Lehrer pünktlich erscheinen, alle Schulen ausreichend Lehrmittel haben, genug Trinkwasser für alle da ist und noch mehr Kinder in die Schule aufgenommen werden. Die Wahlen für das neunte Kinderparlament fanden am 26.Januar 2016 in Tilonia statt.

 

Foto Unsere Arbeit zugeschnitten

Zugang zu Bildung

Wir wenden uns mit unserem Förderprogramm an in Armut aufwachsende Kinder und Jugendliche, insbesondere Mädchen, im schulpflichtigen und schulfähigen Alter aus einkommensschwachen Familien der indigenen Bevölkerungsgruppen und Kastenlosen in entlegenen Gebieten Rajasthans. Kinder aus der Region Silora Block sind besonders benachteiligt, ihre Eltern sind hauptsächlich verarmte Bauern oder ungelernte Arbeitskräfte, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Sie müssen ihren Eltern bei der Arbeit im Haus helfen oder selbst ein geringes Einkommen dazu verdienen. Die Lebenssituation dieser Kinder ist besonders hoffnungslos.
Besonders gefördert werden first generation learners, also Kinder, deren Eltern keinen Zugang zu Bildung hatten. Denn hier besteht eine besondere Herausforderung: die Eltern, die selber keine schulische Bildung genossen haben, zu überzeugen, ihren Kindern den Zugang zur Bildung zu ermöglichen. Oft überwiegt bei den Eltern der kurzfristige Wunsch, die Kinder mögen etwas zum Unterhalt der Familie beitragen, vor dem Bewußtsein, dass Ihre Kinder, nur wenn Sie Bildung erhalten, aus der Armutsspirale heraustreten können.
Vor allem die Mädchen sind diskriminiert. Sie lernen bis heute nur selten lesen und schreiben. Schon mit fünf Jahren müssen sie Ziegen hüten, Wasser holen oder auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen. Besonderes Augenmerk liegt daher auf den Mädchen.

 

Foto Wirkung_zugeschnitten

Neue Perspektiven für die Kinder

Seit 1972 besteht das Barefoot College in Tilonia; und seit 2012 unterstützt es Dagmar von Tschurtschenthaler. Seitdem hat sich viel für die Kinder und Jugendlichen getan. Lehrer und Familien berichten uns von folgenden positiven Veränderungen, die die Kinder durch den Schulbesuch erhalten haben:

  • Die Schüler erhalten eine gute Grundausbildung. Oft sind sie die erste Generation in ihren Familien, die lesen, schreiben und rechnen sowie sich auf Hindi und Englisch verständigen können. Damit haben sie eine erste große Hürde auf dem Weg in ein selbst bestimmtes Leben überwunden.
  • Den Kindern eröffnen sich Perspektiven für ihr späteres Leben: sie erhoffen sich eine Zukunft in Ausbildungsberufen. Kinder, die nach dem Besuch einer Abendschule in ihre Dorfgemeinschaft zurückkehren, tun dies als gestärkte Individuen.
  • Die Schüler erweitern ihren Horizont. Sie lernen nicht nur über die Welt, sie können sie auch erleben: Sie nehmen am Kinderparlament teil und lernen, was eine Post oder Bank ist.
  • Darüber hat sich ihr Gesundheitszustand wesentlich verbessert. Durch regelmäßig Gesundheitschecks und die verbesserte Trinkwasserversorgung werden die Kinder weniger oft und weniger schwer krank.

Wir beobachten aber auch Veränderungen im Umfeld der Kinder:

  • Die Kinder und später die Schulabgänger übernehmen in ihren Dörfern viele Aufgaben, da sie meistens als Einzige lesen und schreiben können. Dadurch erfahren die Schüler eine höhere Selbstsicherheit.
  • Die Kinder üben einen positiven Einfluss auf die gesamte Familie aus. Sie lernen im Internat Hygienestandards, gute Ernährung und soziale Kompetenzen, welche sie mit in ihre Familien nehmen.